Zaubern für Beziehungsgestörte

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / ALCINA

06/12/17 Blumenkinder-Mühl-Kommune mit sektenartigen Zügen und Tendenz zu sexueller und sonstiger Gewalt: Die Insel der Zauberin Alicna ist keine Insel der Seligen. Als Mann wird man rasch einmal in ein Monster verwandelt. Als Kind, dessen Vater schon verzaubert wurde, wird man missbraucht. Und Liebende – männlich oder weiblich – haben es im zaubrischen Umfeld schon gar nicht leicht.

Von Heidemarie Klabacher

Erstes Opfer ist die Zauberin Alicna selber. Sie hat sich ganz echt in den Ritter Ruggiero verliebt, hat sich zwar unlauterer Mittel wie Vergessenszauber für die Gegenliebe bedient, ist aber in diesem speziellen Fall selber nicht ungeschoren davon gekommen. Ihrer Gefühle für einen Menschenmann wegen wird sie ihrer Zauberkraft beraubt. Und Ruggieros Verlobte mit dem seltsamen Namen Bradamante ist nicht gewillt, ihren Verlobten zu vergessen oder gar, ihn der dahergelaufenen Zauberin zu überlassen: Als Mann verkleidet betritt sie die Zauberinsel.

Morgane, die Schwester der Zauberin Alcina fährt freilich vom ersten Augenblick an voll ab auf „Bradamante“. Ein von Morgane sitzengelassener Supermacho sieht durch die Neuankömmlinge eine neue Chance für sich: „Eine neue Intrige muss her!“

Alcina gehört zu den „Zauberopern“ Georg Friedrich Händels. Und dem Zauber dieser Musik konnte und wollte man sich auch in der Produktion der Universität Mozarteum nicht entziehen. Auf hohem Niveau, meist durchaus kraftvoll und nur sehr selten leise, aber immer mit vibrierendem vorwärtsdrängendem Drive spielt das Kammerorchester der Universität Mozarteum unter der Leitung von Gernot Sahler. Einzelleistungen konzertierender Instrumente, etwa des Cellos, der Geige oder auch mal der Bläser, ließen immer wieder mit Freude aufhorchen.

Es gibt, wie immer, zwei Besetzungen. Bei der Premiere am Dienstag (5.12.) im Großen Studio begeisterte die Sopranistin Ayse Senogul als Titelheldin Alcina – nicht nur in der virtuosen zentralen Arie „A mio cor“, in der sie verzweifelt, weil sie den Geliebten verloren sieht. Mit technischer Präzision, zahlosen Klangfarben vermittelter Emotion und darstellerischer Glaubwürdigkeit bei größter Natürlichkeit war Ayse Senogul sängerisch wie darstellerisch tatsächlich das Zentrum der vielschichtigen Produktion.

Laura Verena Incko ist die kokette Morgane der Premieren-Besetzung, eine ebenso quirlige wie durchsetzungsstarke Persönlichkeit, die zum Flatterkleidchen Cowboystiefel trägt und diese leitmotivisch durch die Gegend donnert – und ebenfalls stimmlich mit Virtuosität und Gestaltungskraft überzeugt.

Das gilt ebenso für Katrin Heles in der Hosenrolle des Ruggiero, der obwohl Ritter, ziemlich farblos bleibt, was aber an der Rolle, nicht an der Darstellerin und Sängerin lag. Es ist nun einmal die Oper der starken Frauen - auch wenn diese mit ihren Emotionen baden gehen. Selbst ein Bild von einem Mann, wie Santiago Sanchez als stimmlich wie darstellerlisch hervorragender Obermacho Oronte hat keine Chance gegen die zierliche Morgane. Insofern hat Melissa Zgouridi als Bradamente ihr Blatt mehr als klug gespielt: als Frau in einer Frauenrolle aber als Mann verkleidet und auch im Stimmfach „dazwischen“, dabei von ungebärdiger Energie getrieben...

Die Begegnung mit allen diesen jungen Sängerinnen und Sängern hinterließ nachhaltig Freude und Begeisterung für hohes sängerisches Niveau und überzeugende Darstellungskraft.

Regisseur Alexander von Pfeil hat in der Ausstattung von Anna Brandstätter und Eric Droin eine anregende kluge Balance zwischen zauberischen und möglicherweise realen – höchstens vom Drogenkonsum vernebelten – Verhältnissen geschaffen. So wurde aus der „Zauberoper“ eine glaubwürdige Parabel für alle möglichen Lebens- und Beziehungslagen in Gegenwart und Vergangenheit und Zukunft.

Alicna – Aufführungen am 6. Und 7. Dezember um 19 Uhr und am 9. Dezember um 17 Uhr – livestream der Aufführung am 7. Dezember - www.uni-mozarteum.at
Bilder: UniMoz/Christian Schneider