Unser Woodstock machten wir selbst

50 JAHRE SZENE SALZBURG / ERINNERUNGEN (2)

08/10/19 Alfred Winter, Intendant von 1969 bis 1981, und einer der Väter der als Szene der Jugend gegründeten Institution, erinnert sich an die aufregenden Jahren, als man von „Institution“ noch weit entfernt, der Besuche der Staatspolizeit aber immer gewärtig war.

Von Alfred Winter

Die Vorzeit der Szene der Jugend reicht in die frühen Sechzigerjahre zurück, wo sich ein Kreis von Jugendlichen – Lehrlinge, junge Werktätige, Gymnasiasten und junge Studierende – zusammenfand: Der erste Ort unserer Begegnungen, der Gasthof Schwarzes Rössl in der Bergstraße, wurde vom Höllbräu in der Judengasse abgelöst. Dort fanden wir einen aufgeschlossenen Wirt mit Harald Engländer, der uns fast zwei Jahrzehnte Heimat bot für Themen, die die Zeit bewegten: Ökologie, Umweltschutz, alternativer Landbau, Nationalpark-Idee, Antibaby-Pille, Widerstand gegen Atomgefahr ebenso wie Computergrafik, Kunst und Kultur. Brisante Vorträge, etwa des ehemaligen ÖGB-Präsidenten und Innenministers Franz Olah oder von Otto von Habsburg zu dessen Europa-Ideen (dazu gab es eine KPÖ-Gegendemonstration), brachten uns in der Folge regelmäßige Besuche der Staatspolizei ein.

1967 organisierten wir, darin noch ungeübt, nach einem Vortrag von Günther Schwab (Der Tanz mit dem Teufel) auf dem Alten Markt eine Demonstration gegen Atomgefahr und für mehr Umweltschutz. 1970 folgte eine große, diesmal perfekter organisierte Demonstration, mit großem Medien-Echo, zu den gleichen Themen.

Erste größere Beteiligung und Mitwirkung an Werbung und Organistation an einer internationalen Veranstaltung bot uns der Arbeiter- und Jugendpriester Franz Wesenauer 1968 bei seiner großen Friedensfeier (Stille Nacht) im Kongresshaus mit prominenten ausländischen Gästen und Papst-Botschaft.

Wesenauer deklarierte die Pfarrkirche St. Elisabeth zur ersten Friedenskirche Österreichs und schuf mit der Unterkirche den ersten alternativen Theaterraum in der Stadt Salzburg (Elisabethbühne). Endlich auch selbst kreativ kulturell tätig werden! Das ermöglichte uns unser Projekt MAGRA (für Malerei, Grafik, Literatur, Theater, Rock, Pop, Jazz, aber auch klassische Musik) am Franz-Josef-Kai am Salzachufer Realität werden. Diese vielgestaltige Kultur, performativ, schon mit auswärtigen oft unangemeldeten Gästen, ließ unsere Idee eines Festivals gedeihen. Wunsch und Ziel war ein Festival für uns selber und auch für alle anderen, die künstlerisch tätig sein wollten.

Diese Festival-Idee hieß Szene der Jugend, welche erst realisiert werden konnte, nachdem das Festspielschutzgesetz (es verbat sommers über kulturelle Veranstaltungen neben den Festspielen) gefallen war. Aus dem Club 2000 entstand die Szene, die ständig auf der Suche war nach neuen bisher kulturell unbenutzten Spielorten.

Langsam wuchs diese Szeneder Jugend und wucherte sich über unnahbare kalte Pflastersteine und drang in jede Asphaltritze, nahm Besitz von Plätzen Höfen, Garagen, Kellern, Dachterrassen, Restaurants oder Autosalons. Mit Hilfe von Erzbischof Karl Berg errangen wir den Kapitelsaal, der in den Folgejahren „unser“ Festspielhaus sein sollte. Kirchen und die alte Fürsterzbischöfliche Residenz folgten danach.

Woodstock war für uns nicht wichtig, wir machten es selbst. Der Geist der Szene beflügelte die Grundidee, Künstlern unterschiedlicher Sparten eine erste Auftritts-Chance zu vermitteln – etwa im von uns entdeckten und durchgesetzten Petersbrunnhof. Eine ganz Reihe dieser jungen Künstler wie Ensmbles machte später große Karriere. Einen besonderen und auch internationalen Stellenwert erreichte die Szene der Jugend in dem es gelang, internationale berühmte Künstler für Auftritte bei uns zu animieren, was auch wunderbar gelang: Friedrich Gulda, Oskar Werner, Svjatoslav Richter, Gidon Kremer, Joe Zawinul, Peter Ustinov und viele andere mehr.

Unser Büro im Traklhaus war ursprünglich Abstell- und Besenkammer - was unserer subversiven Kreativität keinerlei Abbruch tat. (Wird fortgesetzt)

DrehPunktKultur bringt anlässlich des Fünfzigers der Szene Salzburg in den kommenden Tagen weitere Erinnerungen namhafter Szene-Menschen
Bilder: aus Michael Stolhofer (Hg.): Szene Salzburg 1969 – 2019 (1); dpk-klaba (1)
Zum ersten Teil der Serie (Werner Thuswaldner)
Bis heute ein bisschen rebellisch
zum zweiten Teil (Alfred Winter)
Große Oper im Petersbrunnhof
Zum vierten Teil (Siegbert Stronegger)
Eigentlich unbeschreiblich
Zum dpk-Beitrag über Fünfzig Jahre Szene Salzburg
Proberaum für das Unvorhersehbare